Ich war zwar nicht bei der diesjährigen Museumsnacht hier in Dortmund, trotzdem stellt sich bei der Konfrontation mit selbiger (z.B. in entsprechenden Magazinen oder eben dem Museum) immer wieder die große Frage: Was (zur Hölle) ist eigentlich Kunst?
Früher war man der Ansicht, Kunst ist etwas aus verschiedenen Bereichen, im klassischsten Sinne Malerei und Skulptur, das eine positive Wirkung auf den Betrachter hat, das gut aussieht, oder etwas gesellschaftlich Wichtiges vermittelt. Letzteres hat seine Tradition vor allem aus dem Kultischen. Statuen, die zu religiösen Zwecken verwandt wurden. Griechische Gottheiten und ähnliches eben. Hier wurde Schönheit nach Proportionen und Maßen genaustens definiert. Daselbe galt übrigens auch für die Architektur, daher die genormten Säulenformen an z.B. Tempeln. Um einen Schwank aus der Kunstgeschichte einzuschieben: Im Falle der Säulenformen wurden bestimmte menschliche Geschlechterprinzipien auf die Architektur übertragen, also war z.B. die dorische Säule eher kräftig in der Mitte, während die ionische Säule schlank und "obenrum" (der Kopf natürlich ;-) ) ganz doll mit Voluten und anderem Schweinskram geschmückt war. Zur Zeit der Renaissance hat man das ganz toll gefunden und eben wiederentdeckt. Dazwischen gab's noch das Mittelalter. Kurzum: Kunst? Nennen wir das lieber Kunsthandwerk. Schön ist, wenn es Gott ehrt. Wenn es Gott nicht genug ehrt --> Kopf ab (Überdramatisierung beabsichtigt). Verdammt, die Künstler hatten meistens noch nichtmal die Eier, eine eigene Signatur unter ihr Werk zu klatschen. Vielleicht, damit Jesus in Form von Super-Mega-Death-Christ sie nicht später Terminator-like heimsucht, weil er sich zu "unvorteilhaft" dargestellt findet...
Dann kam im 19 Jahrhundert mit den Romantikern auch die doofe Moderne, mit ihrer Kritik an akademischen Normen. Stilisierte Szenerien nach Historien oder x-mal akademisch durchgekauten mythologischen Hack&Slay Spielchen zwischen Monster und Mensch wurden verworfen. Die Gegenwart im modernen Alltag zu zeigen war hip. Yeah, Baby, Musik im Tuileriengarten und Manet ist Live dabei. Ach, und Nutten, davon gibt's in Paris jede Menge. Die Kritiker waren not amused. Ästhetiker wie Oscar Wilde waren der Ansicht, dass alle Kunst recht nutzlos sei. Schon gar nicht sei sie dazu da, irgendeinen pädagogischen Zweck zu erfüllen. L'art pour L'art wie der Franzose sagt. Nur schön sollte Kunst natürlich noch sein. Das Auge isst die Kunst ja mit.
Dann kam das, was die meisten Leute heute immer noch spaltet, die abstrakte, d.h. letztendlich völlig ungegenständliche Kunst. Das fing eigentlich schleichend an.
Ob es nun angenehme Farbklecksereien fürs Auge sind, vom bereits erwähnten Manet über Monet (nicht die selben Personen, ersterer hat gerne Nutt... Kurtisanen gemalt ;-) ) über die nervösen Pinselstriche eines Van-"appes-Ohr"-Gogh, bis zu den Mutanten-Tanten von "gehört-das-wirklich-so-dahin" Picasso und den völlig what-the-fuck-haften Kompositionen eines Kandinsky.
Und nicht zu vergessen das, was nach dem Krieg so abging. Abstrakter Expressionismus, Jackson Pollock rotzt die Farbe nur so auf die auf dem Boden liegende Leinwand (Action Painting). Andy Warhol zweckentfremdet Sachen, die eigentlich sehr nützlich sind (mmmmhhh... Tomatensuppe) und greift damit den Ausspruch Oscar Wildes im Grunde wieder auf. Ist etwas erstmal im Museum angelangt, hat es eigentlich keinen Nutzen, ausser angeschaut, erlebt, erfahren zu werden. Nach Oscar Wilde ist Kunst nur dazu da, das Leben etwas schöner zu machen. Ansonsten ist es nutzlos. Ja, aber der Herr hat bereits im Jahre 1900 seinen tödlichen Kampf gegen eine Pariser Hotelzimmertapete verloren. Er ahnte ja noch nichts von z.B. Minimal Art. Das heisst: Ein Stück Stahl ist ein Stück Stahl ist ein Stück Stahl...
Gerade in Bochum z.B. ist den meisten Anwohnern ein gewisses Stück Stahl von Richard Serra schon seit Ende der 70er ein Dorn im Auge. Streng genommen ist so ein Stück Kunst ja eigentlich als gescheitert anzusehen, wenn es nur dem Künstler gefällt. Hier kann natürlich (gerade bei moderner Kunst) der Vorwurf erhoben werden, die Gesellschaft und ihre Sehgewohnheiten seien durch die ganzen urbanen Reize schon dermaßen abgestumpft, dass die monumentale Wirkung von 4 aneinandergelehnten Scheiben Cor-Ten Stahl nicht ihre erhoffte Wirkung entfalten könne.
Ich bin also bei der Erkenntnis angekommen, dass gerade die moderne Kunst sich oft einen Dreck darum schert, dem Betrachter visuell ansprechend zu begegnen.
Ergo der "Das-kann-ich-auch" Effekt. Natürlich ist nicht alle zeitgenössische Kunst vollkommen ungegenständlich. Die Kunst hat seit den frühesten Anfängen der Moderne vor allem gezeigt, dass auf jede neue Bewegung eine Gegenbewegung folgt. Die (gegenständliche) Malerei ist ja ebenso wiedergekommen, wie politische Kunst. Ausserdem gibt es neue Anreize mit neuen Medien, die ins Spiel kommen - was wieder zur Frage führt, inwiefern Videospiele Kunst sein können. Hier ist es nämlich der Nutzen, zu unterhalten, der ja ein "Spiel" ausmacht, und gegen die Oscar-Wildesche Definition von "Kunst" wirkt.
Fazit: Im weitesten Sinne scheint mir Kunst ein ausformulierter Ausdruck des inneren Schaffensdranges zu sein. Eine dargestellte Philosphie. Ob nun in visueller, akustischer oder interaktiver Form. Etwas, das aus dem Künstler kommt und keinen besonderen Nutzen hat, außer, auf sich selbst zu verweisen. Etwas, worauf der Künstler hinweisen möchte, wie zum Beispiel (achtung, Klischee-Terminologie) "Sehgewohnheiten hinterfragen". Kunst will einfach zeigen. Kunst ohne Betrachter ist keine. Und wenn der Betrachter sie "scheiße" findet, ist die Kunst vielleicht wirklich ihrer Zeit voraus, oder verdient einfach ein "simpleres" Publikum, das noch nicht von so vielen Informationen verpestet ist, wie unsereins. Ich jedenfalls habe jetzt Kopfschmerzen.
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