Montag, 19. Januar 2009
Rezension: "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat"
Zunächst einmal steht die Frage im Raum (bzw. im noch weißen Word-Dokument) inwiefern man bei der Inhaltsbesprechung des neuen Tom Cruise-Films eigentlich von Spoilern reden kann, handelt es sich doch schließlich um eine historische Begebenheit, die da verfilmt wurde. Zumindest im sehr, sehr geschichtsbewussten Deutschland ist das „Stauffenberg-Attentat“ (so auch der deutsche Untertitel des Films) kein so unbekannter Aspekt der Chronik des dritten Reichs. In der Tat gab es bereits Verfilmungen um jenes letztendlich gescheiterte Bombenattentat auf Hitler, so z.B. den TV-Film „Stauffenberg“ von 2004.
Der Film setzt mitten im Afrikafeldzug 1943 ein. Erwähnenswerterweise lastet kein Makel auf Tom Cruises Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg, denn bereits zu Beginn des Films macht der seine Position deutlich: Die Nationalsozialisten haben Deutschland und die Welt in den Ruin gestürzt, Hitler hat sein Volk verraten. Er (Stauffenberg) könne entweder ihm oder Deutschland dienen. Kurz darauf wird er allerdings schwer verwundet, verliert die rechte Hand, zwei Finger der Linken sowie sein linkes Auge. Er ist aber bei weitem nicht der erste Aufrührer im Heer, denn wie der Film zeigt, versuchen andere Verschwörer wie Major-General Henning von Tresckow (Kenneth Branagh kaum wieder zu erkennen) bereits, Taten folgen zu lassen. Eine geschickt in einer Cointreau-Flasche platzierte Bombe versagt jedoch ihren Dienst, und muss nun persönlich in Berlin in einer zwischen Komik und Dramatik pendelnden Szene wieder abgeholt werden.
Nach seiner Genesung wird Stauffenberg auch bald schon von weiteren Verschwörern kontaktiert, und für deren Sache gewonnen. Man geht nun in die Vollen: Ziel ist es, den „Führer“ zu beseitigen, danach in einem geschickten Schachzug Hitlers eigenen Notfallplan mit dem titelgebenden Namen „Operation Walküre“ zu aktivieren, um die Kontrolle zu übernehmen. Die SS soll dabei verdrängt und wichtige Schlüsselpositionen in der Regierung mit eigenen Männern besetzt werden, damit einem Waffenstillstand nichts mehr im Wege stünde. Letztendlich ist es Stauffenberg, der sich buchstäblich in die Höhle des Löwen, Hitlers Wolfsschanze an der Ostfront wagt, um zwei Bomben in einer Aktentasche in unmittelbarer Nähe Hitlers zu zünden. Doch es kommt natürlich alles anders, als man denkt.
Wenn Hollywood sich so eines Themas annimmt, ist zunächst einmal von einer entsprechenden Dramatisierung des Stoffes auszugehen, um die Geschichte auch einem weniger informierten Publikum nahe zu bringen. Hollywood + Tom Cruise + Stauffenberg, da klingelten bei der Kritik schon die Alarmglocken, möchte man doch das Thema sensibel behandelt wissen, schließlich sind die wenigsten ausländischen Filme über das Dritte Reich wie her von „Innen“ betrachtet worden. Zudem gab es diesen faden Beigeschmack, den die Person Cruise in den letzten Jahren mit zunehmendem Scientology Fanatismus verbreitete, ebenso die immer noch arg gekünstelt anmutende Beziehung zu Katie Holmes.
Tom Cruise hat aber bereits oft bewiesen, dass er schauspielern kann, sei es seine Verwandlung und beeindruckende Darstellung des Vampirs Lestat in „Interview mit einem Vampir“, seine Fanatikerrolle (tja, „Life imitates Art“) in „Magnolia“ oder sogar der gehetzte Durchschnittsamerikaner in „Krieg der Welten“. Doch wenn man mit einem Schauspieler zuviel negatives verbindet, greift das irgendwann auch auf seine Leinwandpräsenz über. Kurz, man hielt ihn für eine Fehlbesetzung als Oberst Stauffenberg, ganz zu Schweigen von den moralischen Bedenken, ob den ein Sektenmitglied für einen rebellischen Widerstandskämpfer im dritten Reich stehen dürfe.
Regie führte bei „Operation Walküre“ Regisseur Bryan Singer. Singers Filmographie weist mit dem frühen Meisterwerk „Die üblichen Verdächtigen“ (1995) einen Höhepunkt des Suspense-Thrillers auf, dessen Inszenierung sicher als gutes Beispiel für die Stauffenberg-Story gelten kann, schließlich muss hier ein Film, dessen Ausgang der historisch versierte Kinogänger bereits kennt, durch die Bank weg spannend gehalten werden. Singer war allerdings auch für die Superhelden-Filme „X-Men“, „X-Men 2“ sowie „Superman Returns“ verantwortlich. Ist hier eine Hollywoodeske Heroisierung Stauffenbergs schon vorauszudeuten, mitsamt knackigen Onelinern etc.? Nun, erstaunlicherweise bleibt dieser ach so ausgelatschte Aspekt von US-Adaptionen diesmal größtenteils aus. Cruise spielt ungewöhnlich zurückhaltend, fast schon passiv, obwohl es doch über Stauffenberg heißt, er sei eher cholerischer Natur gewesen. Es ist fast schon so, als habe ihm der Respekt vor der Sache manchmal die Lust am Schauspielern genommen.
Ein bedrückender Ernst schwebt über dem Stoff des Filmes, der sich größere Ausfälle von „Comic Relief“ verbittet. In Hinsicht auf Vorschau und Plakatwerbung zu „Operation Walküre“, erscheint der Film ebenso gegen den Strich beworben wie 2007 „Pans Labyrinth“. Damals wurde der falsche Eindruck erweckt, es handele sich um einen astreinen, etwas düsteren Fantasyfilm für die ganze Familie, während bei Walküre ein wesentlich actionreicheres Endprodukt beworben wird. „Operation Walküre“ ist keine Aneinanderreihung von Actionszenen. Ebensowenig besitzt er das Kriegsromanzen-Potenzial eines „Pearl Harbor“, denn Carice van Houten in der Rolle der Gräfin von Stauffenberg ist hier auf ein Minimum reduziert worden. Ein Abschiedskuss vor dem Abschied und der Evakuierung der Familie macht sich natürlich gut auf dem Kinoposter, um so das Spektrum der Zielgruppe zu erweitern. Doch das betrifft nur die Vermarktung, der Film selbst bleibt zum Großteil frei vom klassischen Kriegsfilmpathos, mit Ausnahme einer Szene, in der ausgerechnet die von Stauffenbergs Kindern aufgelegte Schallplatte mit Wagners Walküre den Oberst auf den richtigen Gedanken bringt. Zum Glück hält sich die künstlerische Freiheit dabei aber noch in einem vertretbaren Rahmen.
Was ist nun also die Intention des Films? Er richtet sich schon in erster Linie an ein Weltpublikum, will in gewisser Weise aufklärerisch deutlich machen, dass nicht alle Deutschen blind dem System gefolgt sind. Der Film gibt sich alle Mühe, sich im Rahmen der Inszenierung möglichst genau an historische Fakten zu halten. Gleiches gilt für die Wahl bzw. Rekonstruktion der Drehorte. Hier haben die Macher ihre Hausaufgaben gemacht, der Respekt vor der Sache ist dem Film anzumerken.
Positiv ist die Zeichnung der „Figuren“ hervorzuheben, die bis auf wenige Ausnahmen in einem großzügigen Grauschema agieren; wie gesagt, einer der wenigen ausländischen Filme, in denen Nazis mehr als Bad Guys für einen Actionfilm hergeben. Einzige Ausnahme ist der von David Bamber gespielte Hitler selbst. Wo sich „Der Untergang“ noch bemühte, die Menschlichkeit des Tyrannen zu unterstreichen, ist die Präsenz Hitlers in „Operation Walküre“ schon beinahe von einer dämonischen Kälte geprägt. Wenn Thomas Kretschmanns Charakter sich durch des Führers Stimme selbst überzeugen lassen muss, dass das Attentat fehlgeschlagen ist, so werden Erinnerungen an Gary Oldmans kleines Telefonat mit dem ultimativen Bösen in „Das fünfte Element“ wach.
Die internationalen Schauspieler wissen jedoch wirklich, in ihre Rollen zu schlüpfen, sie verschmelzen damit und sind bald schon nicht mehr als Kenneth Branagh, Bill Nighy oder Christian Berkel zu erkennen, sondern könnten wirklich von Tresckow, Olbricht oder von Quirnheim sein. Tom Cruise, um die Bedenken teilweise zu bestätigen, ist im Cast das schwache Glied bei diesem Film. Während das Gros der Besetzung mit den Rollen und der Zeitepoche praktisch verschmilzt, wirkt Cruise leider nach wie vor als Fremdkörper aus Hollywood.
Was den Inszenierungs-Stil angeht, so dominiert hier ganz klar die zweite Filmhälfte. Während sich der schleppende Anfang trotz des kurzen Afrika-Scharmützels eher auf TV-Film Niveau bewegt, legt der Film mit Beginn der Operation Walküre deutlich an Tempo zu. Deutlich wird hervorgehoben, dass für die Verschwörer jede Sekunde zählt, um ihren Putsch (der ja sozusagen als Gegenputsch getarnt ist) erfolgreich durchzuführen. Das wird besonders durch die häufige Wahl der Handkamera sowie Schnitt und Szenenwechsel ermöglicht. Trotzdem bremst die erste Filmhälfte, in der viel Zeit mit Pläneschmieden verbracht wird, den Film etwas aus. Sie stellt mit den vielen Details aus der NS-Politik rund um die „Operation Walküre“ eine Geduldsprobe für den unbedarften Zuschauer dar.
„Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“ ist keine typische Kino-Kost, aber natürlich auch kein Dokumentarfilm. Herausgekommen ist eine erstaunlich seriöse Verfilmung, die aber nicht unbedingt für die große Leinwand geeignet ist.
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