Es ist nach langer Zeit mal wieder Zeit für einen neuen Beitrag... Darum reiche ich mal meine für einen Uni-Kurs angefertigte Filmkritik zu "The Tree of Life" nach, die ist schließlich noch gut haltbar, da der Film bald sicher durchs Programmkino zirkulieren wird wie ein stolperndes Baby durch Youtube.
Das Leben, das Universum, Dinosaurier und der ganze Rest
Es ist zwei Jahre her, da verstörte Lars von Trier bei den Filmfestspielen in Cannes das Publikum mit seinem düsteren Werk „Antichrist“, bei dem Gottes Schöpfung eher schlecht wegkam. Dieses Jahr liefert Terrence Malick so etwas wie eine Antithese, in Form des religiös stark unterfütterten Spätwerks „The Tree of Life“. Ein Kunstfilm. Mit Brad Pitt. Im Zentrum dieses Spätwerks des Ausnahmeregisseurs (5 Filme in 38 Jahren) steht die amerikanische Kernfamilie O’Brien, deren Protagonist der junge Jack ist, der mit seinen zwei Brüdern in den 50er Jahren zwischen strengem Vater und sanftmütiger Mutter aufwächst. Die Geburt, das Laufen lernen, das Herumtollen im heimischen Garten, das Pflanzen des programmatischen „Baum des Lebens“ in selbigem, und in gewisser Weise auch den schrittweisen Verlust der Unschuld erleben wir mit. Jahre später ist einer von Jacks Brüdern tot - ein Schicksalsschlag, der ihn noch als Erwachsenen verfolgen wird. Die Frage nach dem „Warum“ nimmt sich Malick zum Anlaß, einmal ganz weit auszuholen und, mit dem Urknall angefangen, eine so hochdramatische wie visuell faszinierende Evolutionsgeschichte zu inszenieren und damit auf provokant-prätentiöse Weise zwischen Bibel und Ursuppe nach dem Sinn des Lebens zu fischen.
Weil er atemberaubende, überirdisch-jenseitige Bilder schafft und Metaphern in der Prähistorie errichtet, bietet sich bei Malicks „Opus Magnum“ der Vergleich mit Stanley Kubricks Weltraumoper „2001 – A Space Odyssey“ geradezu an - wobei letzterer ja vor allem Science Fiction-Elemente für seine philosophische Fragestellung nutzte. Beide Werke verbindet auch Special Effects-Legende Douglas Trumbull, der schon Kubricks Trip ins All umsetzte. Malicks Visionen verzichten weitestgehend auf CGI, er kreiert ähnliche Effekte aus dem Reagenzglas, wie Darren Aronofsky in dessen ebenfalls spirituell getränkter Sinnsuche „The Fountain“. Abgesehen von diesem knapp 20minütigem „Exkurs“ verbringt man den Rest der knapp 140 Filmminuten eng an der Seite von Jack und seinen Brüdern und einem provinziellen, behütetem Leben in einer typischen Vorortsnachbarschaft. Auch hier zeigt sich eine unverkennbare, impressionistische Bildgestaltung, untermalt von klassischen Kompositionen wie Smetanas „Die Moldau“. Malick zeigt uns nichts „Besonderes“ und nimmt mit seinen Bildern dennoch, wie durch Kinderaugen, alles voller Zauber wahr. Selbst Kritikerpapst Roger Ebert kamen nach eigenen Worten Tränen der Rührung, als er in die Vorstadtgärten seiner Kindheit zurückversetzt wurde.
Malick stellt in „The Tree of Life“ weltanschauliche Dualismen gegenüber und bezieht dabei klare Position zwischen Mrs. O‘ Briens „Weg der Gnade“ und Mr. O’Briens Weg der Natur; so lernen wir, dass selbst die Dinos anscheinend beim Survival of the fittest hier und da mal eine Ausnahme gemacht haben, und auch Brad Pitts (übrigens namenlose) Vaterfigur muss ebenfalls einsehen, dass Erfolg und materieller Besitz vergänglich sind. Pitt spielt souverän und eindrucksvoll, ohne aber zu viel Nutzen aus seiner eigenen Wandlungsfähigkeit zu ziehen, ergänzt von Jessica Chastain, deren Mutterrolle durch ihre Passivität nur manchmal sehr eindimensional scheint. In der Rahmenhandlung enttäuscht Sean Penn dagegen durch Szenen nervenzehrender Depression, in denen er lediglich mit seinen wehmütigen Erinnerungen den Anstoß zu Malicks ausschweifenden Rückblenden gibt.
Terrence Malicks neuer Film ist so prätentiös, wie man es selten erlebt; er fordert die Geduld auch „Kunstfilm“-erfahrener Zuschauer mehr als einmal heraus, denn gerade zum Ende hin geht dem Film zwischen ätherisch-eschatologischen Wüstendünen ein wenig die Luft aus. „The Tree of Life“ ist aber dennoch ein groß orchestrierter und bebilderter Film, der Anspruch auf Erweiterung von Bewusstsein und Lebenseinstellung erhebt und damit auch riskiert, den einen oder anderen Zuschauer frühzeitig aus dem Kinosaal zu scheuchen. Trotz Brad Pitt.
Wertung: 8/10
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