Der Games-Blog "Arrcade" hat immer noch
die Aktion "26 Games" am Laufen. Also jede Woche ein anderer Buchstabe des Alphabets, der mit mehr oder
weniger sinnvollem Textmaterial und Anekdötchen zu Videospielen gefüllt werden
darf.
Ich steige mal bei "O" ein, nicht unbedingt der
einfachste Buchstabe.
O wie "Odin Sphere". Ich würde lieber eine
Lobeshymne auf das vielgepriesene Action Adventure "Okami" verfassen,
stattdessen schiebe ich jedoch meine "Hassliebe" zu einem wunderhübsch
anzusehenden Spiel vor: Odin Sphere. Einer meiner ersten Blogeinträge widmete
sich dem Neukauf dieses Titels - und bis heute habe ich das Spiel leider nicht
beendet.
2007, genau wie Okami, im Herbst des Konsolenlebens
der Playstation 2 erschienen (und in Europa erst knapp ein Jahr später im März
2008), ist Odin Sphere ein 2D-Action Adventure-Rpg-Mix, bei dem Action durchaus
groß geschrieben wird. Die kreativen Köpfe dahinter sind die japanischen
Entwickler von Vanillaware ("Grim Grimoire", "Muramasa"),
deren Markenzeichen weniger ein bestimmtes Spielprinzip als vielmehr ein
liebevoll handgezeichnete Look mit definitivem Wiedererkennungswert darstellt.
Im Design-Exzess kann das schon mal zu Sexismusdebatten führen, wie in
Vanillawares letztem Werk "Dragon's Crown", das letztes Jahr erschien
und durch die extrem überzeichneten Animefiguren auffiel: Hexe, Barbarin,
Krieger - gewaltige Schenkel und massive Brüste. Odin Sphere ist demgegenüber
noch eher zahm und familienfreundlich, allerdings mit einer gar nicht so naiv
erzählten Geschichte.
Odin Sphere
Trailer:
Der erste Eindruck vom Spiel ist zunächst einmal der
eines kunterbunten 2D-Adventures, ohne grobe Pixel aber dafür mit fein
animierten, den Bildschirmausschnitt großzügig einnehmenden
"Sprites", also Spielfiguren. Derer gibt es fünf. Fünf Protagonisten,
deren Geschichten nacheinander erzählt werden, mit untereinander verflochtenen,
gar nicht so unkomplexen Handlungssträngen. In der (nicht nur aus nordischen
Mythen lose zusammengepuzzelten) Märchenwelt Erion ist zwar alles bonbonbunt,
aber es herrscht ein brutaler Krieg zwischen dem Königreich Ragnanival unter
dem Dämonenkönig Odin und dem Feenreich Ringford. Auf der Jagd nach einem
sagenhaften magischen Kessel schickt uns das Spiel zunächst in der Rolle der
Walküre Gwendolyn, Tochter des Odin, aufs Schlachtfeld. Später ebenfalls
spielbar, und mit anders zu handhabenden Waffen ausgerüstet, sind der verwandelte Prinz Cornelius, die
Feenprinzessin Mercedes, die mysteriöse Velvet und der Schattenritter Oswald.
Alle liebevoll im Anime-Stil gestaltet, versteht sich.
Schnell erlernt ist das Kern-Gameplay von Odin
Sphere, das sich in erster Linie nach Brawler-Tradition durch den Kampf in
2D-Arenen definiert. Mit der Viereck-Taste wird angegriffen, mit dem
Gedrückthalten selbiger geblockt, Spezialattacken über "Dreieck"
entfesselt. Viel steckt nicht dahinter, was das Gerangel mit Elfen, Rittern,
Untoten aber nicht einfacher macht. Was Odin Sphere besonders ausführlich
ausbreitet, ist ein Item-Management- und Alchemiesystem, dessen Nutzung zur
Charakterentwicklung unumgänglich ist - hier zeigt sich auch der inhärente RPG-Anteil.
Jeder Gegner hinterlässt sogenannte Phosonen, die absorbiert werden können, um z.B.
die Waffenstärke zu pushen. Die andere Verwendung dieser durchs Feld schwebenden
EXP.-Punkte findet sich beispielsweise in Obstsamen, die man hoffentlich im
Inventar bereit hält.
Verwundet im Kampf? Was gibt es da entspannenderes,
als erst einmal den Feindesklüngel zu ignorieren und einen kleinen Apfelbaum zu
züchten? Denn aus dem gepflanzten Samen wächst schnell eine Pflanze mit
mehreren Früchten, so sie denn die Phosonen der Gegner absorbiert hat. Werden
die Früchte dann verzehrt (pflücken, bevor sie vergären!), kann unter anderem
die Lebensenergie aufgefüllt werden, wobei als positiver Nebeneffekt gleich
auch Maximalenergie steigt. Mampfen fürs Level up. Viele verzehrte Früchte
hinterlassen zudem auch Obstkerne, die wiederum erneut eingepflanzt werden
können. Schnell kommt es dadurch jedoch zu einem Bruch in der Spieldynamik,
hervorgerufen durch Item-Menü-Herumgewurschtel mitten in Kampfsituationen. Und
die Kämpfe haben es in sich, denn Hit and Run-Taktiken sind gegenüber wildem
Button-Mashing definitiv vorzuziehen. Zwischen den Klopp-Arenen geht es immer
wieder auch in ruhigere Areale, in denen gepflegte Konversation (wahlweise
japanische oder englische Sprachausgabe) oder Shopping angesagt ist. Zudem
können zum schnellen Aufstieg raffiniertere Rezepte im Café/Restaurant
ausprobiert werden.
Ich sprach von 2D-"Arenen". Und hier liegt
ein Schwachpunkt von Odin Sphere, seine Spielarchitektur, die praktisch nur
eine doppelte Illusion darstellt. Leider ist die anfängliche Augenweide der
einzelnen Stages in gewisser Weise eine Mogelpackung. Der Weg zum Boss und zur
Fortführung der 2D-Echtzeit Zwischensequenzen führt über ein Netz von
einzelnen, kreisförmig angelegten Arealen. Das bedeutet, bewegt man sich zum
rechten Bildschirmrand hin, vervollständigt sich das Panorama irgendwann
wieder. Dieser "Teufelskreis" ist nun gefüllt mit Feinden, deren
rasche Beseitigung entsprechend hohe Schulnotenwertungen und damit immer
bessere Belohnungen mit sich bringt. Zwar sind diese Arenen und die Sprites,
die sie bevölkern, hübsch anzuschauen, aber nach wenigen Minuten hat man
grafisch schon jede Ecke eines Levels gesehen. Bildschöne Monotonie. Für ein
Action-Adventure wird hier sehr wenig erkundet. Ist Super Mario ein
Wanderurlaub, so erinnert Odin Spheres Spielumgebung an Theaterbühnen, lediglich
Schaubühnen für das pathosreiche Treiben seiner Figuren. Gleichzeitig sind die
Figuren wiederum so schön groß und detailliert, dass sie den Bildausschnitt in
einer Weise einnehmen, unter der die Übersichtlichkeit leidet. Darum gibt es am
oberen Bildschirmrand eine Art Radar auf dem die Position von Avatar und
Gegnern angezeigt wird - Allzuoft rennt man durch Ignorieren desselbigen in
Drachenfeuer und andere Übel. Eine nicht sehr stilvolle Lösung, leider.
Darum mein Hadern mit Odin Sphere: Um die Geschichte
zu erfahren, muss man sich erst durch viele, viele Stunden monotones, von
Wiederholung gezeichnetes Gekloppe mit noch mehr Item-Handel und Gezüchte in
langweiliger Kulisse arbeiten. Immerhin lassen sich die bisherigen
Story-Sequenzen jederzeit erneut anschauen - so besteht auch für mich noch
Hoffnung, nach mittlerweile fast sechs Jahren die Geschichte noch einmal zu
einem Ende zu bringen.
Odin Sphere, für viele als Geheimtipp, als vergessene
Spieleperle auf der PS2 gehandelt, für mich eher ein wenig überschätzt, hat dennoch
seine Tugenden. Die epische, von verschiedenen Perspektiven beleuchtete
Geschichte, die phantasievoll gestalteten und fein animierten Figuren und ein
grandioser Soundtrack von Final Fantasy Tactics-Composer Hitoshi Sakimoto
machen Odin Sphere zu einem doch sehr ungeschliffenen Edelstein der
PS2-Spielografie.
Ps.: Die deutschen Publisher Atlus bzw. Square-Enix dachten übrigens nicht daran, zu kleckern, sondern klotzten auf der Rückseite der Spielepackung: "Ein wahres Meisterwerk, ein Fest der Sinne, ein visuelles Erlebnis: Der Traum aller Spieler, der nur selten auf solch berauschende Weise Verwirklichung findet."
Ps.: Die deutschen Publisher Atlus bzw. Square-Enix dachten übrigens nicht daran, zu kleckern, sondern klotzten auf der Rückseite der Spielepackung: "Ein wahres Meisterwerk, ein Fest der Sinne, ein visuelles Erlebnis: Der Traum aller Spieler, der nur selten auf solch berauschende Weise Verwirklichung findet."
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