In der Reihe
"26 Games" des Blogs arrcade.de ist diesmal der Buchstabe W an der
Reihe und mit Ignorierung des Artikels in meinem Fall:
The Walking
Dead (Multiplattformtitel)
Bis heute
weigere ich mich konstant, die Erfolgsserie oder die Comicvorlage zu
konsumieren, die dem Spiel "The Walking Dead" vorauseilten - ich bin einfach
kein großer Zombiefan (bzw. hörte von eher wechselhafter Qualität der TV-Adaption). Zumindest vom Zombie als Schaustück der
Gruselfilmgeschichte, als Monster per se. Aber wie das ja schon seit einigen
Jahren, u.a. "28 Days later" und einigen Nachfolgern so war, ist der
Mensch des anderen Menschen Wolf und bisweilen das größere Monster, was einige
Umsetzungen der alten Untotengeschichte ganz eigene Würze gibt. So auch in
diesem Fall. Telltale hat aus der Vorlage eine Videospielserie gemacht, dessen
erste Staffel aus 5 Episoden besteht und zwischen April und November 2012
erschien. Cliffhanger schön und gut, aber Telltale lässt sich hin und wieder
auch mal Zeit zwischen den Episoden, daher war es von Vorteil, dass ich mit
einem halben Jahr Verspätung via Season-Pass (PS3) diese erste Staffel spielen
konnte.
Denn zu
diesem Zeitpunkt hatte Das Adventure "The Walking Dead" eine
beachtliche Reputation auf dem Gebiet Emotionalität und Entscheidungsmöglichkeiten
des Spielers erlangt (zumindest letzteres baute, wie sich nach einmaligem
Durchspielen herausstellt, auf nicht allzu schwer zu durchschauender Illusion
auf).
Mit nicht
allzuvielen (wie ich las) Überschneidungen zu Serie und Comic übernimmt der
Spieler hier die Rolle von Lee Everett, gerade frisch abgeurteilt und auf dem
Weg zum Knast, als auch schon ominöse Vorzeichen der Zombieapokalypse um ihn
herum ausbrechen. Kurz darauf ist er frei, aber auch vom Regen in die Traufe
geraten und muss vor den ersten "Walkern" durch Hinterhöfe flüchten.
Dabei gerät er an die junge Clementine, die sich im Baumhaus verbunkert hat und
nach kurzem Zögern mit Lee und anderen Fremden weiterzieht. Hier kommen bereits
erste Entscheidungen ins Spiel, die den Spieler aus seinem typischen Flow
herausreißen und kurz nach der richtigen Antwort, bzw. Wahl grübeln lassen.
Warten wir oder ziehen wir des Nachts weiter. Ist das wohl eine gute Idee? Was
will der Entwickler von mir? Soll man nach Bauchgefühl entscheiden? Ebenso
etwas später, als auf einer Farm das Leben zweier Menschen gleichzeitig bedroht
wird und wir nur einem von beiden zur Hilfe eilen können.
Auch wenn es
sich bei solchen Fällen eben um die Illusion einer Wahl handelt und Person B
vielleicht wirklich immer stirbt - Auswirkungen hat es dennoch auf wiederum
andere. Der auf den ersten und zweiten Blick etwas hinterwäldlerisch wirkende
Kenny mit dem schicken Bart und dem etwas... schwierigen Sohn "Duck"
nimmt es nunmal etwas übel, wenn man diesen zur zweiten Wahl macht. Und das tut
er über mehrere Episoden hinweg, hier liegt der besondere Reiz der Geschichte.
Entscheidungen fließen in die späteren Folgen mit ein und legen daher noch
einmal besonderes Gewicht auf den eigenen Input. In Episode 2 muss
beispielsweise die knappe Nahrung rationiert werden und so mancher der Gruppe,
der Lee, Clementine und Kenny samt Familie nun angehören, wird leer ausgehen.
Weil wir moralisch tight sind, kriegen die Kinder natürlich was ab. Aber könnte
man sich nicht auch das Ansehen einiger Leute damit erkaufen, die einem nochmal
nützlich sein könnten? Das pikante an "The Walking Dead" ist dabei
auch, dass bei der Auswahl von Antworten gleichzeitig ein Timer (wer kennt das
nicht von Quizduell) mitläuft, ergo ist nachgoogeln unvorteilhaft. So wird man
trotz der eher bescheidenen Grafik, die mit ihren Cel-Shading Texturen das
beste aus sich macht, hineingezogen in die brutale Zombie-Apokalypse. Dieser
Cartoon-Look sollte eben auch nicht darüber hinweg täuschen, dass Survival hier
immer wieder groß geschrieben wird, mit knallharten Konsequenzen, die auch 2-3
Videospieltabubrüche bedeuten. Es wird gestorben. Teils sehr unerwartet und
teils in bewusster oder unbewusster Konsequenz von Spielerentscheidungen.
Fan-Trailer zu Season 1:
Spielerisch
sieht es an sich hingegen mau aus, zumindest wenn man das Erbe von "The
Walking Dead" als Adventure betrachtet. Die Point'n Click-Momente und die
mit ihnen verbundenen Item-Rätsel sind lachhaft bis nicht vorhanden, die
Actionmomente, in denen Zombies oder feindlich gesinnte Bald-Zombies
attackieren sind fummelig. Sie erfüllen dennoch ihren Zweck. Als cinematisches
Adventure, wie es auch David Cage's experimentelle PS3-Spiele "Heavy
Rain" oder "Beyond: Two Souls" darstellen, ist The Walking Dead
in der Immersivität seiner Gameplaymechanik zumindest letzterem leider sogar um
einiges überlegen.
Davon
abgesehen sind die 5 Episoden im Gegensatz zu Cage's Ergüssen so gut geschrieben,
dass eine emotionale Bindung selbst - und das muss man hier mal betonen - zu
Kindern wie Clementine aufgebaut wird. Das war bis dato im Videospiel keine
Selbstverständlichkeit, denn zu oft waren sie von überforderten Kindern des
Hausmeisters Schauspielern vertont oder waren einfach auch spielerisch ein
Klotz am Bein - d.h. Vehikel von ultranervigen "Escort-Missions",
also weniger Charaktere, als Objekte, die es vor Feindkontakt zu schützen galt.
Mit Clementine kam etwas mehr Authentizität ins Spiel, die nur von Ellie aus
dem ebenfalls stark zombiehaltigem "The Last of Us" noch getoppt
wurde. Und so ist Clementine auch aktuell die Heldin der noch im
Publikationsprozess befindlichen zweiten Staffel des Spiels. Das ich auch erst
spielen werde, wenn es sich um ein abgeschlossenes Werk handelt. Insofern hat
mich die Serialisierung von Spielen, die ja Telltales Markenzeichen geworden
ist, nicht ganz erreicht.
Wenn "The
Walking Dead nicht" wäre, würde wohl "The Last of Us"s großes
Abräumen bei den 2013er Game of the Year Awards noch stärker herausstechen.
Beide Titel, "The Walking Dead" sogar noch stärker, haben seit langem
endlich mal wieder den fiesen Kloß im Hals erzeugt, der von diesem Medium noch
viel zu selten angestrebt wird. Boys don't cry...