Sonntag, 30. März 2014

26 Games - The Walking Dead


In der Reihe "26 Games" des Blogs arrcade.de ist diesmal der Buchstabe W an der Reihe und mit Ignorierung des Artikels in meinem Fall:
 
The Walking Dead (Multiplattformtitel)

Bis heute weigere ich mich konstant, die Erfolgsserie oder die Comicvorlage zu konsumieren, die dem Spiel "The Walking Dead" vorauseilten - ich bin einfach kein großer Zombiefan (bzw. hörte von eher wechselhafter Qualität der TV-Adaption). Zumindest vom Zombie als Schaustück der Gruselfilmgeschichte, als Monster per se. Aber wie das ja schon seit einigen Jahren, u.a. "28 Days later" und einigen Nachfolgern so war, ist der Mensch des anderen Menschen Wolf und bisweilen das größere Monster, was einige Umsetzungen der alten Untotengeschichte ganz eigene Würze gibt. So auch in diesem Fall. Telltale hat aus der Vorlage eine Videospielserie gemacht, dessen erste Staffel aus 5 Episoden besteht und zwischen April und November 2012 erschien. Cliffhanger schön und gut, aber Telltale lässt sich hin und wieder auch mal Zeit zwischen den Episoden, daher war es von Vorteil, dass ich mit einem halben Jahr Verspätung via Season-Pass (PS3) diese erste Staffel spielen konnte.

Denn zu diesem Zeitpunkt hatte Das Adventure "The Walking Dead" eine beachtliche Reputation auf dem Gebiet Emotionalität und Entscheidungsmöglichkeiten des Spielers erlangt (zumindest letzteres baute, wie sich nach einmaligem Durchspielen herausstellt, auf nicht allzu schwer zu durchschauender Illusion auf).
Mit nicht allzuvielen (wie ich las) Überschneidungen zu Serie und Comic übernimmt der Spieler hier die Rolle von Lee Everett, gerade frisch abgeurteilt und auf dem Weg zum Knast, als auch schon ominöse Vorzeichen der Zombieapokalypse um ihn herum ausbrechen. Kurz darauf ist er frei, aber auch vom Regen in die Traufe geraten und muss vor den ersten "Walkern" durch Hinterhöfe flüchten. Dabei gerät er an die junge Clementine, die sich im Baumhaus verbunkert hat und nach kurzem Zögern mit Lee und anderen Fremden weiterzieht. Hier kommen bereits erste Entscheidungen ins Spiel, die den Spieler aus seinem typischen Flow herausreißen und kurz nach der richtigen Antwort, bzw. Wahl grübeln lassen. Warten wir oder ziehen wir des Nachts weiter. Ist das wohl eine gute Idee? Was will der Entwickler von mir? Soll man nach Bauchgefühl entscheiden? Ebenso etwas später, als auf einer Farm das Leben zweier Menschen gleichzeitig bedroht wird und wir nur einem von beiden zur Hilfe eilen können. 

Auch wenn es sich bei solchen Fällen eben um die Illusion einer Wahl handelt und Person B vielleicht wirklich immer stirbt - Auswirkungen hat es dennoch auf wiederum andere. Der auf den ersten und zweiten Blick etwas hinterwäldlerisch wirkende Kenny mit dem schicken Bart und dem etwas... schwierigen Sohn "Duck" nimmt es nunmal etwas übel, wenn man diesen zur zweiten Wahl macht. Und das tut er über mehrere Episoden hinweg, hier liegt der besondere Reiz der Geschichte. Entscheidungen fließen in die späteren Folgen mit ein und legen daher noch einmal besonderes Gewicht auf den eigenen Input. In Episode 2 muss beispielsweise die knappe Nahrung rationiert werden und so mancher der Gruppe, der Lee, Clementine und Kenny samt Familie nun angehören, wird leer ausgehen. Weil wir moralisch tight sind, kriegen die Kinder natürlich was ab. Aber könnte man sich nicht auch das Ansehen einiger Leute damit erkaufen, die einem nochmal nützlich sein könnten? Das pikante an "The Walking Dead" ist dabei auch, dass bei der Auswahl von Antworten gleichzeitig ein Timer (wer kennt das nicht von Quizduell) mitläuft, ergo ist nachgoogeln unvorteilhaft. So wird man trotz der eher bescheidenen Grafik, die mit ihren Cel-Shading Texturen das beste aus sich macht, hineingezogen in die brutale Zombie-Apokalypse. Dieser Cartoon-Look sollte eben auch nicht darüber hinweg täuschen, dass Survival hier immer wieder groß geschrieben wird, mit knallharten Konsequenzen, die auch 2-3 Videospieltabubrüche bedeuten. Es wird gestorben. Teils sehr unerwartet und teils in bewusster oder unbewusster Konsequenz von Spielerentscheidungen.

Fan-Trailer zu Season 1: 




Spielerisch sieht es an sich hingegen mau aus, zumindest wenn man das Erbe von "The Walking Dead" als Adventure betrachtet. Die Point'n Click-Momente und die mit ihnen verbundenen Item-Rätsel sind lachhaft bis nicht vorhanden, die Actionmomente, in denen Zombies oder feindlich gesinnte Bald-Zombies attackieren sind fummelig. Sie erfüllen dennoch ihren Zweck. Als cinematisches Adventure, wie es auch David Cage's experimentelle PS3-Spiele "Heavy Rain" oder "Beyond: Two Souls" darstellen, ist The Walking Dead in der Immersivität seiner Gameplaymechanik zumindest letzterem leider sogar um einiges überlegen.
Davon abgesehen sind die 5 Episoden im Gegensatz zu Cage's Ergüssen so gut geschrieben, dass eine emotionale Bindung selbst - und das muss man hier mal betonen - zu Kindern wie Clementine aufgebaut wird. Das war bis dato im Videospiel keine Selbstverständlichkeit, denn zu oft waren sie von überforderten Kindern des Hausmeisters Schauspielern vertont oder waren einfach auch spielerisch ein Klotz am Bein - d.h. Vehikel von ultranervigen "Escort-Missions", also weniger Charaktere, als Objekte, die es vor Feindkontakt zu schützen galt. Mit Clementine kam etwas mehr Authentizität ins Spiel, die nur von Ellie aus dem ebenfalls stark zombiehaltigem "The Last of Us" noch getoppt wurde. Und so ist Clementine auch aktuell die Heldin der noch im Publikationsprozess befindlichen zweiten Staffel des Spiels. Das ich auch erst spielen werde, wenn es sich um ein abgeschlossenes Werk handelt. Insofern hat mich die Serialisierung von Spielen, die ja Telltales Markenzeichen geworden ist, nicht ganz erreicht.
Wenn "The Walking Dead nicht" wäre, würde wohl "The Last of Us"s großes Abräumen bei den 2013er Game of the Year Awards noch stärker herausstechen. Beide Titel, "The Walking Dead" sogar noch stärker, haben seit langem endlich mal wieder den fiesen Kloß im Hals erzeugt, der von diesem Medium noch viel zu selten angestrebt wird. Boys don't cry...

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