Das Max Ernst Museum war hierbei Gastgeber von Lynchs Ausstellung, ein Ort, der vom „Meister“ am ehesten wegen seiner Nähe zu einem der bekanntesten Surrealisten gewählt wurde. Ein Teil des Untergeschosses war daher zu einem Kinosaal umfunktioniert worden, in dem Lynch’s Kurzfilme „Six figures getting sick“, „The Alphabet“ sowie „The Grandmother“ und der erste, legendär-kultige Spielfilm Eraserhead gezeigt wurden. Alles übrigens Werke, die hierzulande immer noch nicht im Handel erhältlich sind, sondern höchstens über Amazon.co.uk und Konsorten. Zwar ist gerade Eraserhead ein verstörender Alptraum sondergleichen, aber wenn (verglichen mit u.a. der Saw-Reihe und anderen Torture-Porn Vertretern) irgendwo der Stempel „Datt is Kunst“ drauf gehört, dann auf Eraserhead.
Nun ging es aber hauptsächlich um das nicht-filmische Werk Lynchs in der Ausstellung, und so lud der rechte Flügel des Untergeschosses gleich mit einer direkt ins Auge springenden, bunten und begehbaren Installation eines Lynch-typischen Wohnzimmers.
Es basiert auf dieser Zeichnung

und ist zusätzlich noch mit ein paar durch Knopfdruck zu aktivierenden Geräuschkulissen aus diversen Ecken ausgestattet. Wer die Filme Lynchs kennt, der weiß diese Beschallung aus Störgeräuschen und Industrielärm zu schätzen.
Allerdings hat auch ein Kritiker Recht, der anprangerte, dass Lynch seinen Zeichnungen und Malereien nicht genug Eigenwirkung zutraut, sondern sie mit einem zusätzlichen Soundtrack ausstatten muss. Und genau hieran sieht man auch, warum Lynch irgendwann seine Bilder nicht mehr genug waren, warum es Bewegung und Ton sein musste, um Stimmung zu erzeugen.

Geht man nun jedoch durch diese Rauminstallation und eine der verkleinerten Türen, so kommt man vor einer Reihe neuerer Fotografien Lynchs heraus, in denen er mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten von Photoshop experimentiert und dabei vor allem im abstrakten Bereich experimentiert. An anderer Stelle, versteckt in einer Ecke, wurden Lynchs erste Photoshopexperimente aus der „Distorted Nudes“-Reihe präsentiert, bei denen er auf bewusst naive Weise Frauenakte aus einem alten Fotoband eingescannt und neu zusammengepuzzelt hat – mit Effekten, die auch Pate für Monsterdesigns aus Silent Hill hätten stehen können.
Einige von Lynchs frühesten Zeichnungen sind mitunter auf flüchtige Materialien wie Servietten und „Post-it“s gekritzelt. Manchmal nur mit hypnotischen, Kandinsky-esken Mustern, manchmal jedoch auch mit Wortfetzen wie „Blue Velvet“, die ihre Bedeutung schlussendlich in die Weite Welt des Kultkinos tragen sollten.
Etwas weiter dann folgen auch einige von Lynchs buchstäblich größten Werken, teils lebensgroße Collagen aus Farbe, Farbmasse, Klebstoff und Textilien wie folgendes Beispiel.

Ups, stimmt ja, die Ausstellung hat zusätzlich noch die Warnung, dass empfindliche Naturen (und Kinder) besser Abstand halten sollten, da es sexuelle Motive geben könnte.
Gerade diese Collagebilder sind teilweise sehr intensiv, besonders im Kontrast mit den ebenfalls präsentierten Industrie-Schwarzweißfotografien Lynchs. Wo dort noch ein stimmungsvoller Kontrast zwischen Hell-Dunkel (Bilder, die nebenbei sehr an die Fotos von Bernd und Hilla Becher erinnern) die summenden Lynch-Toneffekte wach rufen, sind die Collagen eher ein Schlag in die Magengrube, verabreicht von Frank Booth aus Blue Velvet. Wie jener Psychopath, gibt es auch hier Werke, die mit touretteartigen, verbalen Unflätigkeiten und diversen Körperflüssigkeit ins exzessiv-abgründige hinabtauchen. Da wird beispielsweise ein Mann wenige Millisekunden nach seinem Erschießen gezeigt, was natürlich nicht die körperliche Unversehrtheit der dargestellten Person garantiert – aber kurioserweise kommen hier Parallelen eben zum Ende Franks aus Blue Velvet zum Vorschein. Hin und wieder ähneln die düsteren Aquarelle und Ölbilder auch an gewisse Vorbilder der „Art Brut“, also der Kunst geistig Kranker. Vielleicht lässt sich Lynch in solchen Momenten, in denen er sich nicht der transzendentalen Meditation widmet, von einem bösen Dämon wie „Bob“ aus „Twin Peaks“ leiten? Man weiß es nicht...

Lynch wird zitiert, er sei ein „sehr gute schlechter Maler“. Wer also eine ähnlich minutiöse Ausarbeitung von Sets in der Malerei sucht, wird von vielen seiner Bilder eher enttäuscht sein. Zwar sind die stimmungsvollen Szenen eines zwiespältigen Amerikas beim Maler Edward Hopper und in der Folge bei Lynch auch thematisiert worden, jedoch dann nur auf Zelluloid. In seinem bildnerischen Werk zeigt Lynch selbst oft die deutlichen und von ihm immer wieder bestätigten Einflüsse, die der Maler Francis Bacon mit seinen im Raum isolierten und gebrochenen Körpern auf ihn hatte.
Letztendlich stößt man in Brühl noch auf einige „Stills“ aus seinen Filmen, u.a. „Lost Highway“ oder „Mulholland Drive“, die mit einer wohlig/ungemütlichen Erinnerung auf den eigentlichen Verdienst des Regisseurs Lynch hinweisen. Und während man den Ausstellungsbereich wieder verlässt, dringt aus der angrenzenden Filmvorführung das Gänsehautauslösende Geheul eines in der Filmgeschichte berühmt berüchtigten Fötus herüber. (Nichts wie weg.)
1 Kommentar:
TOP! Ein kleiner informativer Einblick der Ausstellung, die ich auch gern besucht hätte. Was hat es mit den ersten Bild aus sich? Ich steig da irgendwie nicht hinter?
SIA
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